Amtshaftung: Verwaltungshelfer

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Stefan MöhlenkampStefan Möhlenkamp

BGH, 06.06.2019, Az.: III ZR 124/18

Leitsätze

Die Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, die zur Ausführung einer verkehrsbeschränkenden Anordnung der Straßenbaubehörde und des der Anordnung beigefügten Verkehrszeichenplans (§ 45 Abs. 2 und 6 StVO) Verkehrsschilder nicht ordnungsgemäß befestigen, handeln als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Ihre persönliche Haftung gegenüber einem durch das Verkehrsschild Geschädigten scheidet daher gemäß Art. 34 Satz 1 GG aus.

Sachverhalt

Die Beklagte ist als privates Unternehmen auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherung tätig. Sie übernahm die Verkehrssicherung zur Durchführung von Straßenbauarbeiten an einer Bundesautobahn gemäß der verkehrsbeschränkenden Anordnung des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz als Straßenbaubehörde. Der Anordnung war ein Verkehrszeichenplan beigefügt, der die Verkehrsführung auf einem etwa drei Kilometer langen Streckenabschnitt vorschrieb. Der Plan gab vor, an welcher Stelle welche Verkehrsschilder aufzustellen waren. Die Beklagte nahm die Beschilderung im Baustellenbereich entsprechend dem Plan und den Vorgaben der Anordnung vom 13. November 2013 vor. Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin eines Kraftfahrzeugs. Sie hat vorgetragen, ihr sei im Baustellenbereich ein eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnendes Verkehrsschild (Zeichen 274) entgegengeflogen, das auf dem rechten Standstreifen aufgekommen und gegen die Beifahrerseite ihres Fahrzeuges geschlagen sei. Das Schild habe sich gelöst, weil es von der Beklagten nicht ordnungsgemäß befestigt worden sei, die daraufhin von ihr direkt auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

Entscheidung

Der BGH verneint einen Direktanspruch gegen das beklagte Privatunternehmen, da es sich dabei im Zeitpunkt der Pflichtverletzung um einen sog. Verwaltungshelfer gehandelt habe, sodass eine Haftung nur gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen den zuständigen Hoheitsträger richten kann. Hierzu skizziert der BGH zunächst die Bewertungskriterien: Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen. Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden. Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug‟ oder „Erfüllungsgehilfe‟ des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich die öffentliche Hand der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt.

Diese Voraussetzungen sah der BGH als erfüllt an. Denn die Aufstellung des Schildes war sehr eng mit der gemäß § 45 Abs. 2 StVO getroffenen Verkehrsregelung als Maßnahme der Eingriffsverwaltung verbunden, bei der der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht. Die Verkehrsregelung war – wie ausgeführt – ohne die Aufstellung des Verkehrsschildes nicht wirksam. Diese besonders enge Beziehung zwischen Verkehrsregelung und ihrer Umsetzung hat zur Folge, dass beide Maßnahmen haftungsrechtlich einheitlich zu behandeln sind. Erfolgt mithin durch ein privates Unternehmen die Aufstellung von Verkehrszeichen zur Herbeiführung der Wirksamkeit der entsprechenden, diese Verkehrszeichen anordnenden Verkehrsregelung, sind die Mitarbeiter des Unternehmens als Verwaltungshelfer im vorgenannten Sinne anzusehen. Der Hoheitsträger hat auch auf die Durchführung der Arbeiten, das heißt auf die Aufstellung der Verkehrszeichen, derart Einfluss genommen, dass die Mitarbeiter der Beklagten gleichsam als bloße „Werkzeuge‟ oder „verlängerte Arme‟ des LBM handelten. Dessen verkehrsbeschränkende Anordnung als Straßenbaubehörde war von den Mitarbeitern der Beklagten strikt umzusetzen. Der Verkehrszeichenplan, der der Anordnung beigefügt war, gab präzise vor, welches Verkehrsschild an welcher Stelle aufzustellen war. Ein eigener Entscheidungs- und Ermessensspielraum kam, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, der Beklagten und ihren Mitarbeitern hierbei nicht zu.

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