§ 110 SGB VII – § 116 SGB X: Derselbe Streitgegenstand?

OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.11.2013 — Aktenzeichen: 1 U 197/12

Sachverhalt
Mit der in 2007 eingereichten Klage hat die klagende BG vom Beklagten Aufwendungsersatz nach § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII begehrt. Sie hat geltend gemacht, der haftungsprivilegierte Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig verursacht. In den Entscheidungsgründen hat das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Anspruch aus § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zu. Allerdings treffe den Geschädigten ein Mitverschuldensanteil von 50 %. In der Berufung hat die Klägerin ihre Klageansprüche (dem Grunde nach) weiter verfolgt, soweit sie vom Landgericht abgewiesen worden sind. Nunmehr allerdings in erster Linie gestützt auf einen Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X, hilfsweise weiterhin auf § 110 Abs. 1 SGB VII. Der Beklagte trägt vor, Soweit sich die Klägerin nunmehr auf einen Anspruch auf § 116 SGB X stütze, sei dieser verjährt.

Entscheidung
Das OLG ist dem Einwand der Verjährung nicht gefolgt, da es sich bei den Ansprüchen aus § 110 Abs. 1 SGB VII und § 116 Abs. 1 SGB X trotz aller Unterschiede um ein und denselben Streitgegenstand handeln würde. Somit sei mit Klageeinreichung wegen § 110 SGB VII auch die Verjährung der Ansprüche aus § 116 SGB X gehemmt worden:

Dem Beklagten sei zwar zuzugeben, dass die Klägerin in erster Instanz ihren Anspruch auf § 110 Abs. 1 SGB VII gestützt habe und dieser (originäre) Erstattungsanspruch zu dem in der Berufung nach Hinweis ausdrücklich geltend gemachten Anspruch aus nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht erhebliche Unterschiede aufweise. Dies stehe der Beurteilung, die im Jahre 2007 erhobene und materiell rechtlich auf § 110 Abs. 1 SGB VII gestützte Klage habe auch die Verjährung eines Ersatzanspruchs aus nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht des Versicherten gehemmt, aber nicht entgegen. Maßgeblich für den Umfang der Hemmung sei der Streitgegenstand der erhobenen Klage. Dies sei in der Regel aber kein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsschutzbehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Er erfasse alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt ergeben würden (BGH NJW 2000, 2492). Aus den von der Klägerin zur Begründung ihrer Klage vorgetragenen Tatsachen habe sich ein Anspruch gegen den Beklagten sowohl aus § 110 Abs. 1 SGB VII als auch aus § 116 Abs. 1 SGB X herleiten lassen. Denn der Anspruch aus § 116 Abs. 1 SGB X habe der Klägerin schon bei Klageerhebung ebenfalls zugestanden, weil der Anspruchsübergang schon zum Zeitpunkt des Unfalls erfolgt sei. Angesichts der erheblichen Verletzungen des Geschädigten habe sich bereits zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit abgezeichnet, dass die Klägerin dem Geschädigten in Zukunft Leistungen zu erbringen habe, die sachlich und zeitlich mit dem Ersatzanspruch des Geschädigten kongruent sind.

Mit der ausdrücklichen Geltendmachung des materiell-rechtlichen Anspruchs aus §110 Abs. 1 SGB VII habe die Klägerin auch keinen konkludenten Verzicht auf die Geltendmachung anderer materiell-rechtlicher Ansprüche erklärt, die nach dem vorgetragenen Lebenssachverhalt alternativ neben dem von der Klägerin genannten Anspruch stehen und gegeben sein könnten, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch aus § 110 Abs. 1 SGB VII entgegen ihrer Annahme nicht vorliegen. Denn es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass sie dasjenige gewollt habe, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig sei und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspreche.

Abgesehen davon sei gem. § 213 BGB die Hemmung der Verjährung des Anspruchs aus § 116 Abs. 1 SGB X durch die Erhebung der Klage auch dann zu bejahen, wenn die im Berufungsverfahren erfolgte ausdrückliche Geltendmachung dieses Anspruchs eine Klageänderung wäre. Nach dieser Bestimmung erstrecke sich die Hemmung durch die Geltendmachung nur eines Anspruchs auch auf andere alternative Ansprüche, wenn diese auf demselben Lebenssachverhalt beruhen und demselben Ziel dienen. So verhalte es sich hier. Auch der Anspruch aus § 116 Abs. 1 SGB X beruhe auf dem von Anfang an streitgegenständlichen Unfallgeschehen und diene gleichfalls dem Zweck, vom Schädiger Ersatz der Aufwendungen für die Heilbehandlung des Verletzten und zum Ausgleich von dessen Verdienstausfallschaden (durch Zahlung von Verletztengeld und Verletztenrente) zu erhalten. Unschädlich sei schließlich auch, dass sich die Ansprüche ihrer Art nach unterscheiden und der Anspruch aus § 110 Abs. 1 SGB VII dem Grund und der Höhe nach weiter reiche.

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